von Cyril Vaughn
Foto von Mohamad Othman auf Unsplash
„Carpe diem“ klingt nach Sonnenlicht und Motivation. Ich bevorzuge die Nachtversion: carpe noctem. Greif die Nacht. Lass dich von ihr halten, bis du vergisst, wo du endest.
Ich mag, wie sich Zeit in der Dunkelheit verändert. Sie wird weicher, biegsamer, als könne man sie mit den Fingern formen. Manchmal geschieht das zwischen zwei Atemzügen: Eine Bewegung, ein Blick und plötzlich dehnt sich alles aus. Die Nacht wird zu einem Zimmer, die Minuten zu Körpern.
Ich glaube nicht, dass sich Nähe planen lässt. Aber man kann sie einladen. Mit Ruhe, mit Aufmerksamkeit, mit einem leichten Lächeln, das sagt: „Du darfst jetzt loslassen.“
Wenn ich mit jemandem zusammen bin, denke ich nicht an das Danach. Ich denke an den Puls unter der Haut, an den Moment, bevor Berührung geschieht. Dort, wo Spannung und Vertrauen ineinander übergehen.
Carpe noctem heißt für mich: Ergreif den Augenblick, der sich nicht erklären lässt. Der dich nicht retten muss. Lass dich wärmen.
Und wenn ich dir begegne, irgendwo zwischen Flüstern und Schweigen, dann weiß ich – wir haben die Zeit verlangsamt. Vielleicht sogar für einen Moment gestoppt.
Carpe Noctem
by Cyril Vaughn
“Carpe diem” has never been my phrase. It sounds too bright, too daytime. I prefer carpe noctem. Seize the night. Let it hold you until you forget where you end.
I love how time shifts in the dark. It softens, bends, becomes something you can almost touch. Sometimes it happens between two breaths— a movement, a glance—and suddenly everything expands. The night turns into a room; the minutes become bodies.
You can’t plan intimacy. But you can invite it. With stillness, with attention, with a faint smile that says: “You can let go now.”
When I’m with someone, I don’t think about afterwards. I think about the pulse beneath the skin, the moment before touch becomes touch. Where tension and trust dissolve into each other.
Carpe noctem means: Seize the moment that doesn’t need to be explained. That doesn’t have to save you. Instead, let it warm you.
And when I meet you, somewhere between whisper and silence, I know we’ve slowed time. Maybe even stopped it.



